Organisationsprozess

EFQM als Booster für ein Prozessredesign

Prozesse bilden einen integralen Bestandteil des EFQM-Modells. EFQM lässt sich aber auch umgekehrt nutzen: Als Modell, um identifizierten Massnahmen zur Optimierung von Schlüsselprozessen beim Management die nötige Aufmerksamkeit zu sichern und die Chancen einer erfolgreichen Umsetzung zu erhöhen. Eine Aufforderung, auf fahrende Züge aufzuspringen.


Akzeptanzprobleme von Massnahmen aus einem Prozessredesign

Prozessmanagement muss heute in innerbetrieblichen Debatten meist nicht mehr wirklich um seinen Stellenwert kämpfen. Seine grosse Bedeutung für eine effiziente und qualitativ hochstehende Leistungserstellung ist in der Regel erkannt. Die Schwierigkeiten liegen oft andernorts. Zum Beispiel dann, wenn es darum geht, im Rahmen eines Prozessredesigns erarbeitete Massnahmen mit Nachdruck und nachhaltig umzusetzen. Dies gilt besonders bei übergreifenden Prozessen, die viele Bereiche, Personen und Systeme betreffen. Bei solchen Schlüsselprozessen ist das Potenzial für Konflikte und Widerstände besonders gross.

Natürlich kann man top-down durchsetzen. Doch ich bin sicher nicht der Einzige der weiss, dass dies für die Akzeptanz und die erfolgreiche Umsetzung von Veränderungen (darum geht es bei den Massnahmen eines Redesigns schlussendlich) nicht unbedingt die intelligenteste Vorgehensweise ist.

 

Schön ist, wenn man auf einen fahrenden Zug aufspringen kann

Was tun? Besonders erfolgreich ist es nach meiner Erfahrung, wenn eine übergreifende, in der Organisation bereits laufende Initiative genutzt werden kann. Etwas griffiger formuliert: Wenn es möglich ist, glaubhaft darzustellen, dass mit den Massnahmen aus dem Prozessredesign auch massgeblich zur Zielerreichung eben dieser übergreifenden Initiative beigetragen wird. Wenn dies gelingt, kann das eigene Veränderungsvorhaben von einem bereits existierenden Momentum profitieren und rascher an Fahrt gewinnen. Man verankert sich sozusagen in der Logik der grösseren Stossrichtung und macht damit Widerstände gegen Massnahmen aus dem eigenen Projekt weniger wahrscheinlich oder zumindest anspruchsvoller.

County snow plow

Es ist wie die Fahrt nach einer Nacht mit heftigem Schneefall: Wenn der erste Schneepflug frühmorgens durch ist, hat es in der Regel immer noch Schnee auf der Strasse und ist stellenweise glatt, doch die Fahrt ist trotzdem einfacher als vor dem Schneepflug.

Leider sind passende Initiativen nicht immer gerade dann am Laufen, wenn es besonders günstig wäre. Darum ist das erwähnte Vorgehen auch nicht immer realisierbar. Doch die Augen offen zu halten lohnt sich allemal. Manchmal ergeben sich überraschende Parallelen oder unvermutete Möglichkeiten.

 

Mein Supertreffer mit EFQM

Ich hatte einmal besonders Glück: Im Rahmen eines Prozessredesigns eines sehr wichtigen übergreifenden Schlüsselprozesses einer grösseren Unternehmung gelang es, mit den im Projekt erarbeiteten Massnahmen von der laufenden Einführung von EFQM zu profitieren.

Zielsetzung des Prozessprojektes war es, einen leistungsfähigen und allgemein akzeptierten neuen Schlüsselprozess für die Unternehmung zu entwickeln. Teilziele waren u. a. eine möglichst weitgehende Vereinheitlichung des Prozesses in den unterschiedlichen Unternehmensbereichen, die Ermöglichung einer übergreifenden, einheitlichen Führung für zentrale und dezentrale Ressourcen, die Klärung der besten Zuordnung zu einer der Fachfunktionen sowie entsprechende Empfehlungen zur Verschiebung und Rationalisierung von Ressourcen. Ein potenzielles Minenfeld, trotz starkem Support des obersten Managements.

Während der Ist-Prozessanalyse stellte sich die Frage der Systematisierung für die Vielzahl der im Projekt erkannten strategischen und operativen Verbesserungsmöglichkeiten und insbesondere der dafür entwickelten Lösungen oder Lösungsvorschläge. Natürlich bezogen sich sehr viele der Möglichkeiten und Lösungen auf den Schlüsselprozess selber bzw. auf Prozesse mit relevanten Schnittstellen zu diesem. Aber mehr als die Hälfte der Massnahmen bezogen sich auf Themen wie Führungsorganisation, Aus- und Weiterbildung, Kooperationen und Partnerschaften, Technologiemanagement oder Wissensmanagement. Wie nur konnten diese schlüssig dargestellt werden?

Zugegebenermassen mehr zufällig aus den Fragen eines Geschäftsleitungsmitgliedes an mich zum Thema EFQM und seiner Einführung im Unternehmen kam dann die Idee, dieses Modell für die Systematisierung im betreuten Projekt zu nutzen.


Vorgehensweise

Wir sind wie folgt vorgegangen:

  • Zuerst einmal haben wir uns auf die fünf Bausteine im Modell konzentriert, welche die Befähigerkriterien darstellen. Für diese haben wir alle Teilkriterien konsultiert, welche die Befähiger operationalisieren. Beispiel: Der Befähiger „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ wird unter anderen durch das Teilkriterium „Die Personalplanung unterstützt die Strategie der Organisation“ und „Das Wissen und die Kompetenzen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden entwickelt und aufrechterhalten.“ operationalisiert. Zu diesen Teilkriterien existieren unterschiedliche Versionen und Varianten, die geringfügig abweichen. Für die eigentliche Beurteilung mit den entsprechenden Fragen vgl. beispielsweise den Fragebogen für die Eigenbeurteilung von Esprix.

EFQM_D

  • Bottom up haben wir anschliessend die im Projekt erarbeiteten Massnahmen und Massnahmenpakete den passenden Teilkriterien für die einzelnen Befähiger zugeordnet. Längst nicht für jedes Teilkriterium gab es ein Match mit Massnahmen/ Massnahmenpaketen, aber für ein paar Teilkriterien dafür mehrere. Dies haben wir solange gemacht, bis alle Massnamen und Massnahmenpakete einem Teilkriterium zugeordnet waren. Als Beispiel: Dem EFQM-Teilkriterium „Das Wissen und die Kompetenzen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden entwickelt und aufrechterhalten“ für den Befähiger „Mitarbeiterinnen & Mitarbeiter“ wurde die identifizierte Massnahme „Institutionalisierung von regelmässigen Schulungen und Betreuung im Preisdatenmanagement und Verkaufssystemen (Back office sowie eigene und fremde Verkaufsstellen)“ zugeordnet.
  • Danach haben wir uns die Freiheit genommen, das Wording aktionsorientiert anzupassen: Aus „Teilkriterien“ wurden „Handlungsfelder“ und aus Massnahmen und Massnahmepaketen „Hebel zur Zielerreichung“.
  • Schliesslich haben wir die Massnahmen noch der strategischen oder operativen Ebene zugeordnet, um das interne Zielpublikum zu präzisieren.

Das oben aufgeführte Beispiel hier noch zur Illustration bildlich dargestellt, wie wir die Massnahmen und Massnahmenpakete schliesslich in der Ergebnisdokumentation festgehalten haben:

EFQM-Beispiel aus Projekt

Selbstverständlich gab es in der Umsetzung der Projektempfehlungen trotzdem Schwierigkeiten und Widerstände. Trotzdem erwies sich diese Verknüpfung von Prozessredesign-Projekt mit EFQM als insgesamt sehr vorteilhaft. Nicht zuletzt darum, weil nicht wenige der betroffenen Führungskräfte Massnahmen aus dem Projekt aufgreifen und als ihren Beitrag zur erfolgreichen Implementierung von EFQM nutzen konnten. Eine Wirkung in die Breite und in die Tiefe, die so im Prozessprojekt nicht geplant gewesen war.

Social & RSS

Ähnliche Beiträge