Regulierung ist kein neues Phänomen. Die grosse Aufmerksamkeit, die breite Kreise weit über das Fachpublikum hinaus seit der Finanzkrise dafür aufbringen, demgegenüber schon. Genauso wie die Intensität, mit der heute gewisse Regulierungsvorhaben auf unterschiedlichen Stufen vorangetrieben werden. Ursächlich mit grösserer Komplexität der Umstände, mehr Interaktionspartnern und höheren (Fall)Zahlen verbunden, werden heute sehr viele Ressourcen für Regulierung und ihre Umsetzung in Unternehmen und Institutionen eingesetzt. An vorderster Front stehen dabei organisatorische Kernthemen. Zeit also, die Möglichkeiten der Organisation in diesem Kontext zu reflektieren und auf zwangsläufige Zielkonflikte hinzuweisen.
Wie Regulierung in Unternehmen und Institutionen organisatorisch umgesetzt wird
Egal ob Umweltthemen (z. B. Gewässerschutz), arbeitsrechtliche Inhalte (z. B. Mindestlohn) oder Finanzmarktregulierung: Eine von extern angestossene Regulierung formuliert in Richtlinien und Regelwerken unterschiedlicher Verbindlichkeit und Ausprägung Ziele, Rahmenbedingungen und Kontrollmechanismen. Diese sind in den betroffenen Unternehmen und Institutionen umzusetzen. Wie bei Fragestellungen rund um unternehmerische Ziele und Strategien gilt, dass zum Erfolg der Regulierung die unternehmerischen Ressourcen in die gewünschte Richtung gelenkt werden müssen. Nebst der Unternehmensführung kommt hier der Organisation eine wichtige Funktion zu: Mit ihren Regelungen soll sie im spezifischen betrieblichen Kontext eine möglichst zielgerichtete, effektive und effiziente Regulierung ermöglichen.
Was heisst das nun konkret? Regulierungsvorhaben werden grundsätzlich wie jede andere zu bewältigende Aufgabe mithilfe der organisatorischen Aktionsparameter Arbeitsteilung, Koordination und Konfiguration in die Organisation von Unternehmen und Institutionen eingebracht:
Regulierungen fordern immer in irgendeiner Form den ordnungsgemässen Umgang mit dem zu regulierenden Thema sowie dessen verantwortungsbewusste Steuerung und Überwachung / Kontrolle ein. Vor diesem Hintergrund sind die Mittel und Instrumente der Koordination besonders wichtig. Aufgrund der nötigen Rechenschaftspflicht zentraler Stellen sowie der zugrundeliegenden rechtlichen Bestimmungen wiederum sind es hauptsächlich die Entscheidungs- und Weisungsbefugnisse sowie die technokratischen Koordinationsmechanismen, die zum Tragen kommen.
Was bei der Umsetzung von Regulierung für Veränderungen in der Organisation zu erwarten sind
Aufgrund der Ziele und Stossrichtungen von Regulierungsvorhaben sind aus organisationstheoretischen Überlegungen folgende Einflüsse auf die Ausprägung der organisatorischen Aktionsparameter Arbeitsteilung, Koordination und Konfiguration zu erwarten:
Zusammenfassend ist bei Regulierung damit in den meisten Fällen im Hinblick auf die Organisation ein mehr an Spezialisierung in den regulierten Themen, ein mehr an Zentralisierung, Standardisierung und Formalisierung sowie ein mehr an struktureller Koordination zu erwarten. Spannend ist nun, was diese erwarteten Einflüsse von Regulierungsbestrebungen auf die generelle Wirksamkeit einer Organisation für Auswirkungen haben. Dies will ich anhand zweier absehbarer organisatorischer Zielkonflikte umschreiben.
Erster Zielkonflikt: Regulierung und das Ausmass an organisatorischen Regelungen, das in einem bestimmten Kontext überhaupt noch erfolgreich ist
Als erste grosse Herausforderung aus organisatorischer Sicht sehe ich den Zielkonflikt zwischen dem Mehr an Regeln/ anderen Regeln durch Regulierung und dem Ausmass an organisatorischen Regelungen, die in einem bestimmten Kontext überhaupt noch erfolgreich ist.
Um diesen Zielkonflikt zu illustrieren, erinnere ich mit einem kleinen Exkurs in die Theorie zuerst an das Substitutionsgesetz der Organisation nach Gutenberg (vgl. dazu beispielsweise Schreyögg 2008, S. 91). Dieses besagt, dass in einer Organisation fallweise Regelungen bzw. ad hoc-Entscheide so lange durch generelle Regelungen ersetzt werden sollten, bis ein Gleichgewicht zwischen der Variabilität der betrieblichen Tatbestände und dem Ausmass genereller Regelungen erreicht ist. Am entsprechenden Punkt ist der Erfolg der organisatorischen Regelungen optimal. Das heisst mit anderen Worten: Je mehr variable (= veränderliche, wechselnde und unbeständige), Tatbestände in einem Betrieb/ einer Institution vorhanden sind, desto weniger können fallweise Regelungen durch generell gültige Regeln ersetzt werden – und umgekehrt.
Die logische Schlussfolgerung aus diesen Überlegungen in Verbindung mit den erwarteten organisatorischen Konsequenzen von Regulierung ist folgende:
Aus organisatorischer Sicht zumindest kann gesagt werden, dass im zweiten Fall eine ausgewogene Balance zwischen effektiver Regulierung, betriebswirtschaftlicher Effizienz und nachhaltiger Ertragssicherung organisatorisch wesentlich schwieriger umsetzbar ist als im ersten Fall.
Zweiter Zielkonflikt: Regulierung und die organisatorische Förderung von Innovation
Als zweite grosse Herausforderung aus organisatorischer Sicht will ich in den Zielkonflikt zwischen den erwarteten Einflüssen der Regulierung auf die Ausprägung der Organisation (vgl. oben) und der Art der Ausgestaltung dieser Organisation im Hinblick auf die Förderung von Innovation (vgl. dazu Wenger/Thom 2021, S. 111 f.) thematisieren:
Damit kann gesagt werden, dass die organisatorische Umsetzung von Regulierung in der Tendenz konträr wirkt zu dem wie eine Organisation auszugestalten wäre, um Innovation zu fördern.
Mehr zum Thema Regulierung
Ich habe mich in diesem Blog bewusst auf eine organisatorische Sichtweise beschränkt.
Wer aus rechtlicher Sicht und auf sehr verständliche Art und Weise mehr zum Thema Wirtschaftsregulierung lesen will, dem empfehle ich den Wirtschaftsregulierung-Blog von Prof. Dr. Peter Hettich der Universität St. Gallen.